Die Zeiten, in denen ein Seitenaufruf fast automatisch einen echten Menschen bedeutete, sind vorbei. Im Zeitalter von generativer KI, algorithmischen Crawlern und Antwortmaschinen wie ChatGPT oder Google SGE verändert sich die Medienwelt dramatisch. Inhalte werden automatisch aggregiert, oft ohne Gegenleistung. Sichtbarkeit und Reichweite sinken, Monetarisierung wird schwieriger.
In der Datalicious-Podcastfolge vom 25. Juli 2025 diskutieren führende Experten, wie sich die Situation für Publisher zuspitzt – und welche Strategien jetzt greifen müssen. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und zeigt, wie Publisher dem drohenden Traffic-Kollaps begegnen können.

1. Die neue Realität: Wenn Crawler zu Lesern werden
Die vertraute Welt des Online-Traffics – in der ein Klick ein echter Mensch war und ein Seitenaufruf eine bewusste Entscheidung – ist Geschichte. Heute durchstreifen algorithmische Systeme unsere Websites wie unsichtbare Besucher. Künstliche Intelligenzen analysieren, sammeln und verarbeiten Inhalte millionenfach, ohne dabei echte Nutzerinteraktionen auszulösen. Es entsteht ein paradoxes Szenario: Mehr Aktivität denn je – aber immer weniger echte Menschen dahinter.
Was dahintersteckt: AI-Suchsysteme wie ChatGPT, Perplexity oder Google SGE (Search Generative Experience) greifen auf Publisher-Websites zu, um Inhalte maschinell zu extrahieren – häufig ohne Gegenleistung. Die Folge: Leser konsumieren Inhalte über KI-Plattformen, nicht mehr auf den Ursprungsseiten. So funktionieren die bisherigen Monetarisierungsmodelle nicht mehr.
Problem:
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- Verlust von Sichtbarkeit und Reichweite
- Keine nutzbaren Daten oder Conversions
- Sinkende Erlöse trotz steigender „Nutzung“
Fazit:
Die klassische SEO-Strategie verliert an Wirkung. Wer sich nur auf Google-Traffic verlässt, läuft ins Leere.
2. Traffic-Rückgänge sind nicht linear – sie sind disruptiv
Die Realität ist brutal heutzutage: Der Traffic-Rückgang erfolgt nicht graduell, sondern sprunghaft. Zahlen aus den USA, wo die KI-Zusammenfassungen („AI-Overviews“) auf der Google Startseite bereits stärker ausgerollt sind zeigen: Publisher verlieren 20–50 % ihres Google-Traffics – und das binnen weniger Monate. Doch was kann man tun, welche Publisher sind besonders betroffen und was sollte man tun?
Besonders betroffen:
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- Nachrichtenportale mit hohem Google-Referral
- Ratgeber- und Lexikonangebote (FAQ-, How-to-, Evergreen-Content)
- Reviews & Preisvergleiche
Risiko:
Das Fundament vieler digitaler Geschäftsmodelle – Sichtbarkeit = Reichweite = Werbeerlöse – wird erschüttert.
3. Die Antwort der Tech-Plattformen: Undurchsichtige API-Partnerschaften
Ein weiteres Problem: Viele AI-Techfirmen schließen API- oder Content-Lizenz-Deals mit großen Verlagen ab – zu Bedingungen, die oft wenig transparent sind. Kleinere Anbieter werden dabei systematisch benachteiligt..
Empfehlung der Experten:
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- robots.txt & Crawler-Kontrolle: Klar regeln, welche Bots zugreifen dürfen
- API-Zugriffe monitoren und limitieren: Besonders für Echtzeit-Inhalte
- Vertragsverhandlungen professionalisieren: Juristische und technische Beratung einholen
⚠️Wichtig:
Die Wahl zwischen Blockade und Zusammenarbeit sollte strategisch getroffen werden – nicht aus Zeitdruck.
4. Qualitätscontent und Communities als Rettungsanker
Es klingt vielleicht albern oder etwas aberwitzig, aner der vielleicht wichtigste Impuls aus dem Podcast lautet: KI wird mittelmäßigen Content ersetzen. Wer aber echte Qualität liefert, relevante Communitybindung schafft und Nutzwert bietet, hat auch in der KI-Welt eine Zukunft. Ja, so absurd es auf den ersten Blick klingt: KI ersetzt Mittelmaß – nicht Exzellenz.
Was funktioniert:
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- Mehr Fokus auf Einordnung, Meinung, Exklusivität: Hierzu brauchen Publisher automatisierte und skalierbare Lösungen!
- Leserbindung durch Newsletter, Clubs, Mitgliedschaften: Es ist immer wichtig, sehr nah an seinen Lesern zu bleiben. Gerade für “vagabundieren” Webuser, welche nur alle paar Wochen oder Monate aufs Portal kommen, kann die Web-Push-Technologie ein signifikanter Hebel sein, Kunden eng an das Portal zu binden.
Wer überlebt?
Publisher mit starkem Profil, echten Meinungen, eigenem Tonfall, treuer Community.
🧭 Denkanstoß:
In der Krise steckt die Chance, wieder echte Beziehungen zum Leser aufzubauen – abseits algorithmischer Zufallsbesuche.
5. Technologische Maßnahmen: Was Publisher jetzt umsetzen sollten
Maßnahme | Wirkung | Aufwand |
robots.txt anpassen | KI-Crawler aussperren | 🔹 gering |
API-Monitoring & Rate Limiting | Kontrolle über Zugriff | 🔸 mittel |
KI-Lizenzverträge prüfen | Monetarisierung sichern | 🔸 mittel–hoch |
First-Party-Daten ausbauen | Unabhängigkeit stärken | 🔸 mittel |
WebPush & App-Publishing | eigene Kanäle stärken | 🔸 mittel |
🧩 Tipp:
Publisher sollten Crawler-Aktivitäten aktiv beobachten und regelmäßig dokumentieren, um bei Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe zu agieren
6. Monetarisierung neu denken: KI als Partner, nicht nur als Feind
Ein spannender Impuls aus dem Gespräch mit Ad-Tech- und CEO-Experten im Datalicious-Podcast:
KI muss nicht nur Gefahr sein – Publisher können auch aktive Partner werden.
Strategien dafür:
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- LLM-Feeds lizenzieren: Inhalte als API oder strukturierte Feeds anbieten
- Custom Chatbots auf eigener Seite: KI mit eigenen Inhalten füttern
- Sponsored Answers in KI-Systemen platzieren (native Integration)
- Fachinhalte in Trainingssets einbringen – gegen Gebühr
💡 Perspektive:
Wer strukturiert, exklusiv und maschinenlesbar publiziert, kann LLM-Nutzer zu Kunden machen.
Fazit: 5 Maßnahmen für Publisher im KI-Zeitalter
🔍 Verstehen:
KI verändert Distribution grundlegend. Sichtbarkeit ≠ Zugriff ≠ Erlös.
🔐 Absichern:
Rechte & Daten schützen – technisch, vertraglich und juristisch.
🤝 Positionieren:
Qualität, Haltung und Community statt austauschbarem Traffic.
📈 Diversifizieren:
Newsletter, Apps, Push, Chatbots – Leser zurückholen auf eigene Kanäle.
📈 Monetarisieren:
KI nicht bekämpfen, sondern kontrolliert integrieren.
Was wir davon mitnehmen:
Die Traffic-Apokalypse mag wie das Ende wirken – doch sie ist nur das Ende eines naiven Vertrauens in die Logik des freien Internets. Wer jetzt konsequent handelt, kann sich neu positionieren – und aus der KI-Bedrohung eine Monetarisierungschance machen.
Hier noch der erwähnte und zitierte Datalicious-Podcast auf Youtube:
Nächster Beitrag in dieser Serie:
Monetarisierung 2.0 – Welche Ad-Produkte im KI-Zeitalter noch funktionieren (und welche-auslaufe)