Von der Redaktion zur Produktabteilung: Warum Publisher jetzt wie Startups denken müssen

Die alte Arbeitsteilung in Verlagen – Redaktion macht Inhalte, Produktteam macht Technik, Vertrieb verkauft Werbung – funktioniert im KI-Zeitalter nicht mehr. Die Grenzen verschwimmen: Wer heute Inhalte entwickelt, muss sie auch monetarisieren können. Wer Inhalte verteilt, muss Nutzerströme verstehen. Und wer Reichweite will, muss Produktdenken verinnerlichen.

Redaktionen brauchen ein neues Selbstverständnis:
Sie sind nicht mehr nur Inhaltelieferanten. Sie sind Produktentwickler – mit KPIs, Nutzerfokus und Wachstumsideen. In diesem letzten Teil der Serie zeige ich, wie Publisher von journalistischen Fabriken zu agilen Content-Startups werden – und warum das die Voraussetzung für wirtschaftliches Überleben ist.

1. Redaktionen als Produktteams: Eine notwendige Transformation

Stellen wir uns eine typische Morgenkonferenz einer Webredaktion in 2025 vor: Die Themenliste ist voll, die Ressourcen sind knapp, und gleichzeitig melden die Analytics: Reichweite runter, Klicks brechen ein, KI-Bots haben schon längst die eigenen Inhalte ausgespielt.

In diesem Moment wird klar: Es reicht nicht mehr, nur Themen zu vertakten. Redaktionen müssen wie Produktteams agieren – mit Fokus auf Relevanz, Formate, Nutzerreise und Monetarisierung.

Was der Schwenk zur echten Produktdenke bedeutet:

  • Zielgruppen verstehen
  • Inhalte als Lösung eines Problems denken („Job to be done“)
  • Formatentwicklung und User Journey einbeziehen
  • Und nicht zuletzt: Monetarisierung mitdenken, nicht ausklammern

Kurz:
👉 Die Redaktion der Zukunft produziert nicht mehr nur „Beiträge“ – sie baut Produkte. Und zwar ganz wie in früher einer Fabrik oder heute bei einem Software-Unternehmen.


2. Was macht ein journalistisches Produkt aus?

Eine gute Story ist noch kein Produkt. Ein Produkt entsteht erst dann, wenn Inhalt, Format und Geschäftsmodell zusammenspielen – so wie bei einem Podcast, der regelmäßig erscheint, eine klar definierte Zielgruppe hat und sich monetarisieren lässt. Produkte unterscheiden sich von Beiträgen durch Struktur, Wiederholbarkeit und Messbarkeit.

Ein journalistisches Produkt ist…

MerkmalBeispiel
Zielgruppenorientiert„Wirtschaft erklärt für Berufseinsteiger“
WiederkehrendWöchentlicher Newsletter, Dossier-Serie, Podcast
MonetarisierbarPaid-Abo, Club-Modell, Sponsoring, Affiliate
DifferenzierendHaltung, Tiefe, Format, Sprache
MessbarÖffnungsrate, Leads, Engagement, Lifetime Value

👉 Ein gutes journalistisches Produkt lebt nicht nur von der einzelnen Story, sondern von Systematik und Zielgruppenorientierung. Es hat eine klare Funktion, ist wiederholbar und messbar – und trägt von Anfang an ein Geschäftsmodell in sich.


3. Vom Beitrag zum Produkt – ein Beispiel

📰 Früher:
„Artikel über Immobilienpreise in München“

💡 Heute als Produkt gedacht:
„München.Mieten.Monitor“ – ein monatlich aktualisierter Service mit:

  • Artikel + Infografik
  • Newsletter mit exklusiven Frühdaten
  • Mini-Dashboard für Mitglieder
  • Partnerintegration mit Immobilienportalen
  • Monetarisierung über Paywall + Affiliate + Sponsoring

👉 Tipp:
Der Unterschied zwischen „Beitrag“ und „Produkt“ liegt nicht in der Länge oder Optik, sondern im System dahinter: Wiederholbarkeit, klare Zielgruppe, Mehrwert über einen einzelnen Artikel hinaus – und ein eingebautes Geschäftsmodell.


4. Was Redaktionen von Startups lernen müssen

Wenn Redaktionen wie Startups denken, reicht es nicht mehr, einfach Inhalte zu veröffentlichen. Wachstum wird zum festen Bestandteil der Strategie – mit klaren Zielen und messbaren Ergebnissen

PrinzipAnwendung im Publishing
MVP – Minimal Viable ProductStatt 12 Artikel gleich Serie planen, erst 1 Pilot testen
Iteration statt PerfektionFeedback aus Newsletter-Öffnungen, Push-Reaktionen auswerten
Kundenfeedback firstLeser:innen befragen, Inhalte anpassen
FunneldenkenLeserreise planen: Erst Reichweite → dann Lead → dann Conversion
Monetarisierung ab Start mitdenkenJedes Format mit Erlösoption aufsetzen – Paid, Ads, Sponsoring, Upsell

5. Neue Rollen in Redaktionsteams

Wer Redaktion heute noch nur als „Textfabrik“ versteht, denkt zu kurz. In produktgetriebenen Teams entstehen ganz neue Rollen – manche formal, viele aber vor allem im Mindset.

  • Produktredakteur: Plant Formate mit Zielgruppenfokus, KPI-orientiert
  • Audience Editor: Steuert Distribution, Push, SEO, Leserfeedback
  • Data-Journalist: Erkennt datenbasierte Themenchancen, entwickelt Tools
  • Growth-Manager (redaktionell): Entwickelt Funnel, User Journeys, Retention
  • Conversion-Creator: Textet für Landingpages, Abo-Anreize, Sales-Newsletter

Tipp: Wer diese Rollen nicht einzeln besetzen kann, braucht zumindest Produktkompetenz in der Redaktionsleitung.


6. Werkzeuge & Methoden für produktorientierte Redaktionen

Produktdenken bleibt Theorie, wenn es nicht in den Alltag übersetzt wird. Genau hier helfen Tools und Methoden, die ursprünglich aus Tech- und Startup-Welten kommen – und heute auch in Redaktionen unverzichtbar sind.

  • Notion oder Trello: Redaktionsplanung als Kanban-Board
  • Figma oder Canva: Schnelles Prototyping von Formaten
  • Google Forms / Typeform: Nutzerfeedback einfach einholen
  • Matomo / GA4 / Posthog: Eigene Userflows tracken und verstehen
  • beehiiv / Substack / Brevo: Newsletter als Produkt-Frontend
  • A/B-Testing: Für Headlines, Paywall-Texte, Push-Texte etc.
  • User Interviews & Umfragen: Feedback strukturiert erfassen

7. Redaktionen als Wachstumsmaschine

Produktdenken in Redaktionen bedeutet auch:
Wachstum als strategisches Ziel.
Das heißt konkret:

  • 📈 Inhalte werden nach Impact, Leads und Conversion priorisiert
  • 💰 Ressourcen fließen nicht nur nach Nachrichtenlage, sondern nach Zielgruppenpotenzial
  • 🧠 Es gibt redaktionelle Wachstumspläne – keine bloßen Themenpläne

Fazit: Was Publisher jetzt tun müssen

Redaktionen als Produktteams organisieren: Inhalte mit Mehrwert, Wiederkehr und Monetarisierungspotenzial entwickeln
Startup-Denken etablieren: MVPs bauen, testen, lernen, skalieren
Neue Rollen definieren: Wer macht Distribution, wer denkt Monetarisierung, wer misst Erfolg?
Zielgruppen in den Mittelpunkt stellen: Inhalte als Lösungen, nicht als Outputs
Formate iterieren & skalieren: Weniger Projekte, mehr Produktlinien

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